E-Commerce und Onlinevertrieb setzen klassische Niederlassungskonzepte vermehrt unter Renditedruck. Außerdem beeinflussen die Lage von Filialen sowie die umliegende Infrastruktur den Filialumsatz zunehmend. Unternehmen müssen daher einen Spagat zwischen Rentabilität und Kundennähe, zwischen Optimierung und Expansion sowie zwischen Effizienz und Präsenz meistern.
Mithilfe von geografischen Big-Data-Analysen lassen sich Abschätzungen bei Veränderungen im Filialnetz präziser treffen: Welchen Anteil der KundInnen zieht eine Neueröffnung von umliegenden Filialen ab? Welcher Umsatz ist an welchem Standort zu erwarten? In welcher Umgebung ist eine zusätzliche Filiale lohnenswert?
Mehrwerte durch die Kombination interner und externer Daten
Die Digitalisierung von Karten- und Umgebungsdaten sowie die Verfügbarkeit vieler weiterer Datenquellen mit geografischem Bezug ermöglichen neue Analyseansätze für die Filialnetzplanung. Zusätzlich zu soziodemografischen Daten sind inzwischen weitaus höher aufgelöste Datensätze verfügbar. Bewegungsprofile und Frequenzanalysen zeigen, wann und wo sich tendenziell Personen aufhalten, und können bei der Wahl des richtigen Standorts entscheidend sein. Durch die Kombination von externen geografischen Daten mit unternehmensinternen digitalen Ressourcen lassen sich neue Einblicke für die Standortplanung gewinnen. Unternehmensinterne Daten enthalten beispielsweise Informationen darüber, wie und wann Dienstleistungen in Anspruch genommen werden. Die geografische Umgebung kann erklären, warum bestimmte Standorte mehr oder weniger profitabel sind. Standorte und Öffnungszeiten verschiedener Geschäfte, Restaurants oder Supermärkte in der Umgebung können wertvolle Informationen offenlegen und damit den Dienstleistungsabsatz einzelner Filialen besser erklären.
Weiche Faktoren verfeinern die Genauigkeit
Die Ursache für das Kundenverhalten in einer Region oder einem Stadtteil liegt in der Umgebung verankert. Diese Annahme fließt in den Fühlungsvorteil ein, einen weichen Faktor bei der Standortwahl. Er bezeichnet die bevorzugte Ansiedlung eines Unternehmens in einem als positiv eingeschätzten Milieu. Basierend auf großen Datenmengen mit geografischem Bezug und deren Verknüpfung mit unternehmensinternen Leistungskennzahlen werden viele der bisher als weich klassifizierten Standortfaktoren endlich messbar: der genannte Fühlungsvorteil, Einkaufsmöglichkeiten und Freizeitangebote in der Nähe, Mietpreise, Passantenfrequenzen und allgemein die Aktivitäten, denen Besucher tendenziell in der Nähe nachgehen.
Datengetriebene Filialnetzplanung
Für die Standortbewertung bietet diese neue Perspektive erhebliche Vorteile. Absatzmengen und das Kundeninteresse für bestimmte Bereiche des Dienstleistungsportfolios können auf Basis der internen Geschäftsdaten und Filialperformance mit zusätzlichen Geodaten (beispielsweise Wetter, Points of Interest, Demografie, Marktkennzahlen, Kundenaktivität, nahegelegenen Filialen, Besucherströmen oder Fußgängerfrequenzen) detailliert ausgewertet werden.
Verfahren aus der aktuellen Forschung eignen sich für die Analyse besonders gut: Maschinelles Lernen, Künstliche Intelligenz, Mustererkennung, Neuronale Netze und Predictive Analytics sind für den wirtschaftlichen Einsatz ausgereift. Ganz ohne zusätzliche individuelle Betrachtung sollte man diesen Verfahren allerdings nicht vertrauen. Die richtige Datenauswahl und die Interpretation der Ergebnisse durch Statistik-Experten sind daher unverzichtbar. Schließlich müssen die Verfahren gezielt auf die individuellen Kenngrößen trainiert werden, um Antworten auf die tatsächlich gestellten Fragen zu finden.
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2020-02-27
Mit geografischen Big-Data-Analysen zur optimierten Filialnetzplanung